In vielen deutschen Städten sieht man weiß gestrichene Fahrräder an der Straße stehen – festgekettet, oftmals an gut sichtbaren Stellen wie zum Beispiel an belebten Kreuzungen. Am Fahrrad befestigt ist zudem meist ein Schriftstück mit einem Namen, einem Alter und einem Datum.
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Bei den genannten Personen handelt es sich um an dieser Stelle tödlich verunglückte Radfahrer, denen dieses Geisterrad, auch Mahnrad oder Ghost Bike genannt, gewidmet ist. Das Datum ist der Tag, an dem der Verunglückte verstorben ist – entweder direkt am Unfallort oder aber später an den Folgen des Unfalls.
Die Geisterräder sollen zum einen an die verunglückten Radfahrer erinnern, zum anderen aber auch an entsprechenden Gefahrenstellen warnen. Durch die Mahnräder werden andere Verkehrsteilnehmer erinnert und für mögliche, mitunter tödliche Gefahren, zum Beispiel durch den Toten Winkel, sensibilisiert.
Wer stellt die Geisterräder / Ghostbikes auf?
Um an die elf im Jahr 2008 tödlich verunglückten Radfahrer in Berlin zu gedenken, stellte der ADFC Berlin 2009 erstmals in einer gemeinsamen Aktion Geisterfahrräder an den jeweiligen Unfallstellen in der Hauptstadt auf. Auch bundesweit kümmert sich der ADFC an vielen Orten um das Aufstellen der Mahnräder, in einigen Städten, wie zum Beispiel in Hamburg 2014, geschieht dies auch auf Initiative der „Critical-Mass“.
Dort haben 500 Teilnehmer der Fahrrad-Demo ein Mahnmal für eine 18-jährige Radfahrerin aufgestellt, die tags zuvor auf dem Radweg von einem LKW überfahren wurde. Auch in Kassel war die „Critical-Mass“ Initiator und auf den Tod eines Familienvaters folgte ein „Ride of Silence“, an dem mehr als 250 Menschen teilnahmen. In Berlin beteiligt sich auch der Trägerverein „Changing Cities“ mit seinen bezirklichen Netzwerken an Geisterrad-Kundgebungen.
Das Aufstellen der Geisterräder geht also oft auch mit radpolitischen Bewegungen und Aktionen einher, die auf die für Radfahrer oftmals gefährlichen Situationen im Straßenverkehr aufmerksam machen sollen.
Aber auch private Initiativen wie in Frankfurt a. M. setzten bereits ein Mahnmal. So geschehen im August 2018, als dort gleich vier Radfahrer tödlich verunglückten. Mit Unterstützung des „Radentscheid Frankfurt“ und dem ADFC Frankfurt wurden auch hier die entsprechenden Unfallstellen mit einem Geisterrad gekennzeichnet.
Ungeachtet der Schuldfrage
Die Geisterräder werden laut ADFC ungeachtet der Schuldfrage und jedweder polizeilichen Ermittlungen aufgestellt. Primär geht es darum, auf die Gefahrenstellen hinzuweisen und auf die vielen verunglückten Radfahrer aufmerksam zu machen. Oft stellen Freunde und Angehörige Kerzen an den Ort der Unglücksstelle und das weiße Fahrrad folgt später.
Bundesweit sichtbar
Die Ghost Bikes sind deutschlandweit sichtbar und werden darüber hinaus auch weltweit in einer Karte bei OpenStreetMap dargestellt. → www.mapcomplete.org/ghostbikes
Insbesondere in Deutschland und Österreich ist diese Bewegung bekannt. In Europa gibt es außerdem auch eine Bewegung in Ungarn, Tschechien und in Großbritannien.
Der Ursprung der Ghost Bikes liegt in den USA
Die ersten Ghost Bikes wurden im Jahr 2003 in St. Louis im Bundesstaat Missouri aufgestellt. Es folgten viele weitere Städte in den Vereinigten Staaten, sowie später auch Kanada (2007), Brasilien (2006) und Australien. Über die Bewegung in New York kann man auf der Seite mehr erfahren: www.ghostbikes.org. Über die dortigen Aktionen hinaus, werden auf der Seite aber auch weltweite Meldungen veröffentlicht und Medialinks geteilt.
Der bewegende Kurzfilm „The Ghosts of Cyclists That Haunt City Streets“ von Ethan Brook, veröffentlicht von „The Atlantic“ erzählt die Geschichte von Mirza Molberg, der sich für sein eigenes local ghost bike project im Jahr 2011 engagierte und 2016 dann selbst seine Freundin bei einem tödlichen Fahrradunfall verlor. → https://www.youtube.com/watch?v=FdcB_8USwCU
Tödliche Fahrradunfälle: Tendenz leicht sinkend und steigend zugleich
Das statistische Bundesamt hat zum jetzigen Zeitpunkt die Daten bis einschließlich 2022 veröffentlicht. Demnach sind deutschlandweit im Jahr 2022 insgesamt 266 Radfahrer ohne Hilfsmotor und 208 Pedelec-Fahrer tödlich verunglückt. Die Zahl hat sich seit dem Jahr 2019 für die herkömmlichen Räder leicht verringert, während die Anzahl der tödlich verunglückten Fahrer mit Motor-Unterstützung bundesweit um 66 Personen gestiegen ist. → https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Tabellen/getoetete-fahrzeugart.html
Ghost Bikes regen zum Nachdenken an
Hinter jedem Geisterrad steht ein Mensch und eine Geschichte. Die mahnenden Fahrräder, die man immer häufiger sieht, machen diese Geschichten und Menschen sichtbar. Umso traurig der Anlass ist, diese Ghost Bikes aufzustellen, desto wichtiger ist es aber auch, zu erinnern und auf Gefahrenstellen hinzuweisen. Die Räder dienen nicht nur als Gedenkort für die Verstorbenen, sondern können auch zu einem achtsameren Miteinander und mehr Aufmerksamkeit und Verständnis im Straßenverkehr beitragen.
Wer mehr dazu in seiner eigenen Region erfahren will, besucht am besten die Seiten des jeweiligen ADFC.